Fusionsbiopsie

Fusionsbiopsie

Die Biopsie der Prostata ist ein seit langem durchgeführtes und für die Festlegung der Therapie wichtiges Diagnostikverfahren. Allerdings ist die Prostatabiopsie ein sogenanntes invasives Verfahren, welches mit Risiken und Nebenwirkungen, wie beispielsweise Infektionen und Blutungen, einhergeht. Aus diesem Grund steht die Biopsie in der Regel erst relativ weit hinten im diagnostischen Maßnahmen des Urologen. Dies bedeutet, dass der Verdacht auf das Vorliegen eines Prostatakarzinoms schon relativ fundiert sein sollte, bevor eine Prostatabiopsie empfohlen wird. Die Ergebnisse der feingeweblichen (histologischen) Untersuchung des bei der Prostatabiopsie gewonnenen Prostatagewebes sind richtungsweisend für die Empfehlungen einer Therapie. Hierbei findet sich ein gewisses Dilemma der Diagnostik des Prostatakarzinoms. 

 Bis in die 1990er Jahre wurde die Prostatabiopsie als systematische 6-fach Biopsie (Entnahme von sechs Stanzzylindern) durchgeführt. Das bedeutet, dass drei Proben aus dem linken und drei Proben aus dem rechten Seitenlappen der Prostata entnommen wurden, ohne dass der Untersucher irgendwelche Vorstellungen davon hatte, ob und wo sich ein Tumor in der Prostata befand (es sei denn der Tastbefund war auffällig – dann sollten diese Areale unter Tastkontrolle mit dem Finger biopsiert werden). Da aber damals zunehmend Prostatabiopsien aufgrund eines erhöhten PSA-Wertes unternommen wurden (der PSA-Test wurde 1994 von der FDA in den USA zur Diagnostik des Prostatakarzinoms zugelassen, Catalona WJ. History of the discovery and clinical translation of prostate-specific antigen. Asian J Urol. 2014 Oct;1(1):12-14), war die Prostatabiospie zu dieser Zeit zumeist ein Blindflug. Wenig überraschend zeigte systematische Untersuchung, dass man mit dieser Art der Prostatabiopsie viele Karzinome in der Prostata übersah, weil man sie bei diesem Zufallsprinzip schlichtweg nicht traf. In den 1990er Jahren hielt die sogenannte transrektale Ultraschalluntersuchung (TRUS, Darstellung der Prostata, mittels einer in den Enddarm eingeführte Ultraschallsonde) großen Einzug in die Urologie. Man erhoffte, jetzt eine valide Bildgebung des Prostatakarzinoms in Händen zu halten und damit die blinde, systematische Biopsie der Prostata (siehe oben) in die Geschichtsbücher zu verbannen. Leider hat sich diese Hoffnung in den Folgejahren nicht bestätigt. Das Prostatakarzinom hat kein typisches Erscheinungsbild in der transrektalen Ultraschalluntersuchung. Viele methodische Veränderungen und Erweiterungen wie der hochfrequente Ultraschall und die Anwendung von künstlicher Intelligenz, haben bis heute keine bahnbrechenden Veränderungen bzw. Verbesserungen gebracht. So wird der transrektale Ultraschall neben einer kleinen diagnostischen Bedeutung heute im Wesentlichen zur Führung der Prostatabiopsie entsprechend der anatomischen Struktur der Prostata verwendet.

 Nach dieser Enttäuschung der Bildgebung wurde schnell der Ruf nach mehr Stanzzylindern zur besseren Detektion des Prostatakarzinoms laut. So entwickelte sich die Biopsie weg von der 6-fach und hin zur 8-, 10-, 12-, 14fach Biopsie bis hin zu zur sogenannten Sättigungsbiopsie der Prostata, wo 40, 50 ja in bestimmten Fällen sogar bis zu 100 Stanzzylinder aus der Prostata entnommen wurden. Nun stellte man allerdings fest, dass man zwar mehr oder wenige alle Prostatakarzinom fand (auch die kleinste Ansammlung von Karzinomzellen entgeht in einer 25 bis 30 ml großen Drüse nicht der 100-fach Biopsie), jedoch sehr viele Karzinome dabei waren, welche man eigentlich nicht finden musste (sogenannte insignifikante Karzinome, sehen Sie hierzu unseren Bericht zur active surveillance), weil sie ihrem Träger nicht gefährlich waren. Das Problem der Überdiagnose und damit verbunden Übertherapie rückte ins Zentrum der Diskussion (sehen Sie hierzu unseren Beitrag zum watchful waiting). Heute ist man, insbesondere um der Problematik der Überdiagnose Rechnung zu tragen etwas zurückgerudert und hat sich auf eine systematische 10-12-fach Biopsie der Prostata geeinigt (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3-Leitlinie Prostatakarzinom, Langversion 6.2, 2021, AWMF Registernummer: 043/022OL, http://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/prostatakarzinom/ (abgerufen am: 04.03.2023), Empfehlung 5.3, Seite 43). 

In der medizinischen Literatur wird in den vergangenen 8 – 10 Jahren zunehmend die zusätzliche Biopsie der in der Kernspinuntersuchung (mpMRT, multiparametrisches Magnetresonanztomographie) suspekten Areale in fusionierter Form empfohlen (Das CJ, Razik A, Netaji A, Verma S. Prostate MRI-TRUS fusion biopsy: a review of the state of the art procedure. Abdom Radiol (NY). 2020 Jul;45(7):2176-2183). Fusioniert bedeutet dabei, dass die Bilder des mpMRT mit  den markierten suspekten Arealen in das Ultraschallgerät überführt werden und mit den real-time Ultraschallbildern (während der Biopsie) übereinandergelegt (fusioniert) werden. Diese suspekten Areale, welche nicht immer in der Ultraschalluntersuchung sichtbar sind, können dann gezielt biopsiert werden. 

In der deutschen S-3 Leitlinie hat die Bildgebung der Prostata bisher sowohl in der Früherkennung als auch in der Diagnostik des Prostatakarzinoms nur bedingt Einzug gehalten. In der Früherkennung des Prostatakarzinoms sind bildgebende Verfahren als primäre Untersuchung, nach Empfehlung der Leitlinie, nicht geeignet (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3-Leitlinie Prostatakarzinom, Langversion 6.2, 2021, AWMF Registernummer: 043/022OL, http://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/prostatakarzinom/ (abgerufen am: 04.03.2023), Statement 4.3, Seite 31). Es ist allgemeiner Konsens, dass die Biopsie heute unter bildgebender Kontrolle (transrektaler Ultraschall, TRUS) durchgeführt werden soll (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3-Leitlinie Prostatakarzinom, Langversion 6.2, 2021, AWMF Registernummer: 043/022OL, http://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/prostatakarzinom/ (abgerufen am: 04.03.2023), Empfehlung 5.2 a., Seite 43). Bei der Biopsie sollen auch in bildgebenden Verfahren auffällige Areale gezielt biopsiert werden (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3-Leitlinie Prostatakarzinom, Langversion 6.2, 2021, AWMF Registernummer: 043/022OL, http://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/prostatakarzinom/ (abgerufen am: 04.03.2023), Empfehlung 5.2 c., Seite 43). In den Hintergrundinformationen zu dieser Empfehlung heißt es: „Wird Bildgebung (z.B. MRT oder Ultraschall) in der Diagnostik eingesetzt und zeigen sich dabei Prostatakarzinom-suspekte Areale, kann nach Ansicht der Leitliniengruppe eine gezielte Biopsie dieser Areale dazu beitragen, die Aussagesicherheit zu erhöhen, daher soll entsprechend verfahren werden.“ (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3- Leitlinie Prostatakarzinom, Langversion 6.2, 2021, AWMF Registernummer: 043/022OL, http://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/prostatakarzinom/ (abgerufen am: 04.03.2023), Zu Empfehlung 5.2 c., Seite 45). 

Laut der aktuellen medizinischen Literatur, stellt die mpMRT der Prostata das effektivste und beste bildgebende Verfahren in der Abklärung und Überwachung der Prostata da (Stabile A, Giganti F, Rosenkrantz AB, Taneja SS, Villeirs G, Gill IS, Allen C, Emberton M, Moore CM, Kasivisvanathan V. Multiparametric MRI for prostate cancer diagnosis: current status and future directions. Nat Rev Urol. 2020 Jan;17(1):41-61). Multiparametrisch bedeutet dabei, dass mehrere Untersuchungssequenzen durchgeführt werden. Zum einen ist dies die normale Schwarzweißbildgebung (T2- Wichtung), welche die anatomische Struktur der Prostata in hoher Auflösung darstellt. Als weitere Untersuchungssequenz wird die sogenannte „diffusion-weighted images“ (DWI) durchgeführt, welche die Bewegung von Wassermolekülen (Brown’sche Molekularbewegung) durch das Gewebe der Prostata quantifiziert. Dabei ist die Bewegung der Wassermoleküle von der Art und Organisation des Gewebes abhängig und differenziert auf diese Weise die unterschiedlichen Gewebetypen, welche in der Prostata vorliegen. Als letzte Sequenz wird das sogenannte dynamic contrast-enhanced imaging unter intravenöser Gabe von Gadolinium Kontrastmittel durchgeführt. Dabei wird insbesondere darauf geachtet, wie das Kontrastmittel in der Prostata anflutet. Dabei zeigt das Prostatakarzinom im Vergleich zu dem normalen Prostatagewebe zumeist eine frühere, schnellere und intensivere Anflutung von Kontrastmittel gepaart mit einem früheren Abfließen des Kontrastmittels (washout) (Mussi TC, Baroni RH, Zagoria RJ, Westphalen AC. Prostate magnetic resonance imaging technique. Abdom Radiol (NY). 2020 Jul;45(7):2109-2119). Anhand dieser drei Untersuchungssequenzen wird, nach dem Prostate Imaging Reporting & Data System (PI- RADS, aktuell in seiner zweiten Version), der sogenannte PI-RADS Sore erstellt (Weinreb JC,  Barentsz JO, Choyke PL, et al. PI- RADS Prostate Imaging – Reporting and Data System: 2015, version 2. Eur Urol 2016; 69: 16-40). 

Aus persönlicher Kommunikation mit vielen Urologen ist uns bekannt, dass heutzutage den allermeisten Prostatabiopsien die in Deutschland durchgeführt werden, eine mpMRT Untersuchung der Prostata vorausgeht. Dabei dient die mpMRT insbesondere zur Vermeidung von Prostatabiopsien, denn es hat sich gezeigt, dass der PI-RADS Score des Befundes der mpMRT Untersuchung das Risiko des Vorliegens eines signifikanten Prostatakarzinoms in gewissen Umfang vorhersagen kann. Die PI-RADS Klassifikation teilt die Prostata Befunde des mpMRT in einen Score mit 5 Stufen (1-5) ein. Dabei erhöht sich die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens eines signifikanten Prostatakarzinoms von Stufe 1 zu Stufe 5. Bei Stufe 3 zeigen aktuelle Arbeiten, dass nur in 13% mit dem Vorliegen eines signifikanten Karzinoms zu rechnen ist. Bei PI-RADS 4 in 40% und bei PI-RADS 5 in knapp 70% (Mazzone E, Stabile A, Pellegrino F, et al. Positive predictive value of Prostate Imaging Reporting and Data System version 2 for the detection of clinically significant prostate cancer: a systematic review and meta- analysis. Eur Urol Oncol 2021; 4: 697-713). Daher führen viele Urologen erst eine Biopsie der Prostata ab einem PI-RADS Score von 3 durch. Insofern nutzt die Urologenschaft das mpMRT um die Überdiagnose (Nachweis von nicht-signifikanten Karzinomen) zu reduzieren (bei PIRADS 1 oder 2). Liegt ein PI-RADS >3 vor, wird zumindest eine sogenannte „kognitiven Fusionsbiopsie“ oder besser als „richtige, gerätebasierte Fusionsbiopsie“ durchgeführt. Eine kognitive Fusionsbiopsie bedeutet, dass keine entsprechenden Geräte vorliegen, um die gerätebasierte Fusionsbiopsie durchzuführen. Dann schaut sich der biopsierende Urologe die mpMRT Bilder genau an und sucht mit dem transrektalen Ultraschall die entsprechenden anatomischen Stellen der Prostata, in der sich die Befunde befinden. Diese anatomischen Stellen werden dann biopsiert, ohne die richtige Fusionierung zu machen. Diese kognitive Fusionsbiopsie ist leider in vielen Fällen notwendig, da die Geräte zur Fusionsbiopsie extrem teuer sind und nur sehr vereinzelt in urologischen Praxen zu finden sind. Die Biopsie wird zumeist als Kombination aus systematische 10-12-fach Biopsie plus gezielter Biopsie aus den suspekten Arealen der Bildgebung durchgeführt. Aktuelle Untersuchungen geben bereits erste Hinweise darauf, dass eine alleinige gezielte Biopsie von in der mpMRT-Untersuchung auffälligen Arealen dem Konzept der systematischen plus gezielter Biopsie hinsichtlich der Identifikation von signifikanten und dem Verpassen von nicht-signifikanten Karzinomen überlegen zu sein scheint (Kasivisvanathan V, Rannikko AS, Borghi M, et al. MRI-Targeted or Standard Biopsy for Prostate-Cancer Diagnosis. N Engl J Med. 2018 May 10;378(19):1767-1777). An dieser Stelle sind unbedingt auch die Ergebnisse der sogenannten PROMIS Studie zu erwähnen. Diese Untersuchungen bezüglich der Aussagesicherheit des mpMRT der Prostata kommen zu dem Fazit, dass die alleinige negative mpMRT der Prostata (als PI-RADS 1 und 2) nicht ausreichend Aussagesicher ist, um eine Prostatabiopsie zu ersetzen, es sei denn der Patient nimmt ein 5-10% falsch Negativquote in Kauf (Panebianco V, Barchetti G, Simone G, et al. Negative multiparametric magnetic resonance imaging for prostate cancer: what’s next? Eur Urol 2018; 74: 48-54; Ahmed HU, El-Shater BA, Brown LC, et al. Diagnostic accuracy of multi-parametric MRI and TRUS biopsy in prostate cancer (PROMIS): a paired validating confirmatory study. Lancet 2017; 389: 815-822). So ist es Gegenstand aktueller Bemühungen sich anhand detaillierter Veränderungen der Diagnostik zwischen Unter- und Überdiagnose durchzuhangeln. Das Institut für Prostata Überwachung verfolgt dabei eher den Ansatz der (tendenziellen) Überdiagnose (wir stehen dabei aber sicherlich nicht für die 100-fach Biopsie der Prostata!), da es neben der 5-10%igen falsch Negativquote auch noch das zusätzliche Problem des sogenannten Upgradings gibt. Upgrading bedeutet, dass die histologische Untersuchung des Materials von der  Prostatabiopsie (die Stanzzylinder) ein weniger bösartiges Karzinom zeigt, als das es eigentlich die Realität ist. Bedeutet, dass zum Beispiel aufgrund des vorliegenden Biopsie Ergebnisses maßgeblich die Entscheidung zu einer active surveillance Behandlung getroffen wird, jedoch aufgrund des in Wirklichkeit vorliegenden Karzinoms diese Behandlung gar nicht gerechtfertigt ist (Cristea O, Lavallée LT, Montroy J, Stokl A, Cnossen S, Mallick R, Fergusson D, Momoli F, Cagiannos I, Morash C, Breau RH. Active surveillance in Canadian men with low-grade prostate cancer. CMAJ. 2016 May 17;188(8)). Als Institut für Prostataüberwachung, welches sich der Früherkennung des Prostatakarzinoms, der Diagnostik des Prostatakarzinoms und den konservativen Therapieansätzen des Prostatakarzinoms verschrieben hat, wollen wir hier für größtmögliche Sicherheit der Patienten sorgen. Wir bieten die gerätebasierte Fusionsbiopsie seit vielen Jahren in hoher Qualität und mit großer Erfahrung an.

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